Es wird nur klappen, wenn wir uns alle ändern!

Interview mit Enno Nottelmann, Prokurist bei der gemeinnützigen Klimaschutzagentur energiekonsens geführt von Tuula Heyden und Antonia Samberg im Rahmen des Journalismus-Workshops #aufgedeckt – Klimapolitik auf den Zahn fühlen.

Wie kann Klimaschutz in Bremen klappen? Seit 1997 berät energiekonsens Menschen, Hausbesitzer*innen, Mieter*innen, Unternehmen und andere Institutionen, wie sie klimafreundlicher werden können. Am 19. August 2020 besuchten Tuula Heyden und Antonia Samberg die Organisation und stellten ihre Fragen zum Thema Klimaschutz.

Wer sind Sie und was machen Sie?

Ich heiße Enno Nottelmann und arbeite seit elf Jahren bei energiekonsens als Zuständiger für gemeinnützige Institutionen und kommunale Projekte mit den Städten Bremen und Bremerhaven. Hier versuche ich Menschen oder Organisationen zu überzeugen, Klimaschutzprojekte zu machen. Ich spreche außerdem Akteure an, die für den Klimaschutz wichtig sind. Wir, als energiekonsens, informieren, beraten, unterstützen und begleiten. Wir sind aber nicht diejenigen, die eine Solaranlage aufs Dach schrauben.

Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?

Heute Morgen haben meine Kollegin und ich uns zum Beispiel mit einer Person getroffen, die bei den evangelischen Kitas ein Projekt zum Thema Klimaschutz umsetzt. Wir haben ihr erzählt, welche Erfahrungen wir schon in diesem Bereich gemacht haben, haben ihr Materialien vorgestellt und Hinweise gegeben, wie sie Förderanträge für weiteres Geld stellen kann. Oder ich treffe mich mit Menschen wie Ihnen und erzähle, was eine Klimaschutzagentur macht.

Wie ist die Resonanz auf Ihre Arbeit?

Unser Kita-Projekt läuft zum Beispiel schon seit 12 Jahren. Unsere Rolle hat sich verändert. Wir haben das Projekt damals entwickelt und jetzt machen das die Kita-Träger zum Teil selber. Wir helfen Fördermittel einzuwerben und begleiten die Kitaträger mit Fortbildungen. Als wir in 1997 angefangen haben, war es noch ein Nischen-Thema. Mittlerweile reden alle über Klimaschutz. Es gibt schon eine große Offenheit, aber meistens ist es ein Thema, das von außen kommt. Um zum Beispiel Lehrerinnen und Lehrer zu motivieren, muss man deutlich machen, das Klimaschutz auch in allen Bereichen des Schulalltags steckt:  zum Beispiel beim Essen, beim Hin- und Rückweg zur Schule, oder bei unserem Verhalten im Gebäude. Das sind alles Anknüpfungspunkte an das eigene Leben, da ist die Offenheit schon sehr groß. Der erste Schritt ist also meistens Werben, aber es kommen auch Menschen auf uns zu.

Stoßen Sie dabei auch auf Ablehnung? Was hat sich verändert?

Es ist offener geworden. Aber es gibt zwar immer Leute, die sagen: „Wir haben andere Probleme.“ Corona hat beispielweise zwei sehr unterschiedliche Auswirkungen gehabt: Einige Leute haben mehr Zeit, andere wiederum leiden derzeit an akuten finanzielle oder gesundheitlichen Sorgen – da nimmt Klimaschutz natürlich nur eine nebensächliche Rolle ein.

Gibt es Unterschiede zwischen Unternehmen und Schulen, von wem mehr kommt?

Nein, kann man nicht sagen. Geld sparen ist aber immer ein Anreiz. In Bremen können die Schulen unter anderem Heiz-, Wasser- und Stromkosten sparen und das Geld anderweitig einsetzen. Unternehmen wollen auch oft Geld sparen. Aber einige wollen sich mittlerweile auch nachhaltig aufstellen, ihr Image verbessern oder für ihre Mitarbeiter attraktiver sein.

Wie gehen Sie damit um, wenn Menschen unzugänglich sind?

Das kommt darauf an, mit wem man zu tun hat. Nur wenn der andere will, funktioniert es. Man kann einen anderen Ansprechpartner suchen oder einen anderen Anreiz anbieten. Geld funktioniert nicht immer. Der Senat hat zum Beispiel beschlossen, dass alle öffentlichen Unternehmen ein Mobilitätskonzept entwickeln müssen – und plötzlich beschäftigen sich alle damit.

Woran liegt das?

Der Druck. Wenn sie das nicht machen gibt es Ärger oder Strafen. Beim Mobilitätskonzept geht es erstmal darum zu gucken, Mobilität funktioniert, ob man Dienstfahrzeuge reduzieren, Fahrräder oder Straßenbahn als Alternativen nutzen kann und da entsteht eine Reduktion. Aber da funktioniert es ganz klar von oben nach unten. Das fand ich sehr eindrücklich. Das müsste es auch für den Klimaschutz geben.

Muss das immer von oben kommen?

Manchmal sind es auch die Mitarbeiter. Zum Beispiel die Studierenden an der Hochschule für Künste in Bremen. Durch ihre Initiative ist ein Klimaschutzkonzept für die Hochschule entwickelt worden und nun wird eine Stelle für ein Klimaschutzmanagement geschaffen.

Was hat sich im Laufe ihrer langjährigen Erfahrung verändert?

„Fridays for Future“ haben bei vielen Akteuren Eindruck hinterlassen. Wir alle müssen was für unsere Zukunft tun. Wenn die jüngeren Leute das so einfordern, löst das bei vielen etwas aus. Viele motiviert das, jetzt auch nochmal drauf zu gucken. Die haben sich von Greta Thunberg anstecken lassen. Trotzdem ist es nur eins von vielen Themen – aber ein Zentrales, denn es geht um die Zukunft unseres Planeten.

In welchen Bereichen?

In allen. Jeder einzelne kann etwas tun. Alle können und müssen etwas tun, damit wir eine zukunftsfähige Gesellschaft werden. Der Klimaschutz hat das Problem, dass man den Klimawandel zumindest hier bei uns nicht merkt. Wir haben vielleicht stärkere Regen und wärmere Sommer, aber woanders merkt man das viel mehr.

Verändern sich die Menschen, mit denen Sie arbeiten?

Doch, die verändern sich. Es müsste aber eigentlich noch mehr werden. Wir reden darüber, dass wir unserer Energieversorgung umstellen. Der andere Aspekt ist zu überlegeben, wie viel wir brauchen. Die Frage wird zu wenig gestellt. Jetzt geht es bei Autos um Elektromotoren – aber die Frage, ob überhaupt jeder ein Auto braucht, wird nicht wirklich diskutiert. Es wird aber nur klappen, wenn wir uns alle verändern.

Wenn Sie eine Schule beraten, gibt es dann schon einen konkreten Plan oder wird individuell abgesprochen?

Für Schulen haben wir erst einmal ein festes Angebot. Es gibt bestimmte Angebote für bestimmte Klassengruppen. Zum Beispiel gibt es die „Energiedetektive“ oder Projekte zum Thema „Wasser sparen“. Aber wenn es zum Beispiel eine Projektwoche gibt, dann überlegen wir gemeinsam mit der Schule, was wir machen.

Gibt es Unterschiede zwischen Schularten oder Stadtteilen?

Ja, aber hauptsächlich hängt es an den Menschen, denen das Thema dann wichtig ist. Das ist Teil des Problems, eigentlich müsste die Behörde das vorgeben.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Mein konkretes Ziel ist es, mehr Kitas zu motivieren, Klimaschutzprojekte zu machen. Es wird im nächsten Jahr ein Programm „Klimaschutz im Quartier“ geben. Da werden ganz praktische Dinge gemacht, zum Beispiel Upcycling, Repariercafés und Gartenprojekte, um ein besseres Gefühl  für Saisonalität und „selber machen“ zu bekommen. Da freue ich mich schon drauf. Solche Dinge helfen Leuten, einen Einstieg in das Thema zu finden und weiterzumachen. Große Themen sind die Dämmung der Bremer Häuser und diese klimafreundlicher zu gestalten. Im politischen gibt es eine Enquête-Kommission, die eine neue Klimaschutzstrategie für Bremen entwickelt. Da bin ich auch sehr gespannt, was dabei rauskommt. Bisher war das Ziel bis zum Jahr 2050 nahezu klimaneutral zu werden, aber die ganzen aktuellen Studien sagen inzwischen, dass wir den Großteil des Weges bis 2030 geschafft haben müssen…

Möchten Sie abschließend noch etwas sagen, was Sie Ihren Mitmenschen mitgeben möchten?

Jeder muss und kann etwas tun. Man kann nicht nur den „schwarzen Peter“ weiterschieben. Alle können etwas tun – ob Jugendliche, Ältere oder Unternehmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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