losgedacht: Insa meint zu Fleischfabriken, Massenunterkünften …

„losgedacht“ ist unsere neue Notizen-Rubrik! Hier kommen Einzelne aus den Mitgliedsverbänden, aus den Vorständen, aus den Geschäftsstellen usw. zu Wort und teilen ihre Sicht der Dinge mit. Im Zentrum steht ein selbst gewähltes Thema – egal ob aktuelles Ereignis, Projekt oder (politische) Entwicklung – hier wird einfach mal losgedacht und eine persönliche Meinung sichtbar gemacht. Insa Bertram ist Ansprechpartnerin für das Kooperationsprojekt „Spot on Democracy“ bei Fluchtraum Bremen e.V. Für „losgedacht“ hat sie ihre Gedanken zu jenen Orten niedergeschrieben, die in der Regel „unsichtbar“ für die Dominanzgesellschaft bleiben:
„Dreht euch nicht herum, denn ein Virus geht um – das denken sich in dieser Zeit wahrscheinlich nicht nur Geschäftsführer_innen in der Fleischindustrie, Verantwortliche in Bildungs- und Sozialbehörden und die Führungsebene von Wohnungsbaugenossenschaften.
Augen zu und durch – wo ich nicht hinschaue, schaut sonst auch keine_r hin, was ich nicht sehe, worüber nicht gesprochen wird, ist auch nicht da. Diese Devise funktioniert nicht mehr.
Unaufhörlich und unerbittlich lenken kleine, unsichtbare Partikel, wenn sie sich erstmal festgesetzt haben, unsere Aufmerksamkeit dahin, wo eigentlich niemand hinsehen soll. Auf Dinge, die normalerweise im Verborgenen, in geschlossenen Hallen, an Orten, die nur von Kindern genutzt werden, oder in Gebäuden auf dem Land oder in Stadtrandgebieten, außerhalb von Zentren und abgeschirmt von Blicken geschehen.
Immer noch werden in vielen Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete in Deutschland über fünfhunderte von Menschen dazu gezwungen, in einem Gebäude zusammengedrängt zu leben, in dem es nicht möglich ist, 1,5 Meter Abstand zu Mitbewohner_innen zu halten. In einigen dieser Massenunterkünfte teilen sich alle einen Raum zum Essen und sollten – vor der Pandemie – ihr Brot mit den Händen aus demselben Brotkorb nehmen.
Viele Schulen in Deutschland haben weder Waschbecken in den Klassenräumen noch warmes Wasser in den Sanitärbereichen.
Arbeitgeber_innen in der Fleischindustrie kennen die Adressen ihrer Mitarbeiter_innen nicht, weil sie im Dickicht von Sub-Sub-Sub-Unternehmen den Durchblick verlieren. Die Menschen, die in Deutschland Fleisch verarbeiten, leben in Baracken.
Es gibt keine großen, bezahlbaren Wohnungen, so dass Großfamilien gezwungen sind auf engstem Raum in Hochhäusern miteinander, und über- und untereinander zu leben.
Aus all diesen Bereichen erreichen uns plötzlich Fotos, Videos, Berichte, zur Prime Time in der Tagesschau. Kameralicht gelangt dahin, wo so sonst Enge, Dunkelheit und Gleichgültigkeit herrschen. Menschen in weißen Schutzanzügen, oft begleitet von dunkelblauen Polizist_innen dringen an Orte vor, die die Öffentlichkeit gerne meidet, und die der Staat zwar kennt und verwaltet – aber eigentlich nicht vorzeigen möchte.
Diese Wahl bleibt nun nicht mehr.“