10. November 2022
losgedacht: Lena meint zur sozialen Pflichtzeit

Bei „losgedacht“ kommen Einzelne aus den Mitgliedsverbänden, aus den Vorständen, aus der Geschäftsstelle usw. zu Wort und teilen ihre Sicht der Dinge mit. Im Zentrum steht ein selbst gewähltes Thema – egal ob aktuelles Ereignis, Projekt oder (politische) Entwicklung – hier wird einfach mal losgedacht und eine persönliche Meinung sichtbar gemacht.
Lena Hamel nahm im Oktober an unserem Journalismus-Workshop zum Thema „Generationengerechtigkeit“ teil. Bereits zuvor hatte sie sich Gedanken zur politischen Diskussion rund um die sogenannte „soziale Pflichtzeit“ gemacht.
Das Problem steckt schon im Wort.
Soziale Pflichtzeit.
Die Pflicht, etwas tun zu müssen, ist, entgegen Steinmeiers Sichtweise von Demokratie, ein tiefer Eingriff in die Freiheitsrechte eines jeden Menschen. Diese sogenannte Soziale Pflichtzeit möchte Bundespräsident Steinmeier wieder einführen. Eigentlich ist der ehemalige Pflichtdienst seit 2011 offiziell ausgesetzt. Steinmeier erhofft sich, durch die Wiedereinführung, einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Doch was nützt es der Gesellschaft, wenn die Jungen ihren Dienst nicht freiwillig ausüben? Wird etwas zur Pflicht, schwindet die Lust darauf. Dies führt zu schlechter Arbeit. Das ist verschwendete Zeit, diese Zeit ist nicht ehrlich, sie hält der jungen Generation in Deutschland vor Augen wie ihr Leben wieder einmal von der alten Generation bestimmt wird.
Das Leben der jungen Menschen verläuft heutzutage ganz nach dem Motto „Immer höher, immer weiter, immer schneller“. Wie soll dann noch ein Soziales Pflichtjahr, was nicht einmal freiwillig und aus eigener Entscheidung heraus absolviert wird, dahinein passen? Und ja, auf ein Jahr wird diese Idee wohl hinauslaufen, da die meisten Ausbildungen und Studienplätze zum Ende des Sommers angeboten werden – also erst wieder ein Jahr nach dem Schulabschluss.
Es ist außerdem eine Überlegung wert, ob so eine Soziale Pflichtzeit nicht eher schadet als nützt. Sogar die Sozialverbände wenden sich davon ab, da unmotivierte und ungeeignete Menschen, zum Beispiel den Pflegeheimbewohnern, nicht zugemutet werden können.
Im Grunde ist Steinmeiers Vorstellung von einer friedlichen, verständnisvollen Gesellschaft doch nichts anderes als das Flicken eines Teppichs, welcher seit Jahrzehnten von der Politik kaputt getreten wurde. Junge Menschen sollen nun für das herhalten, was so lange versäumt wurde. Es geht nicht darum, einen Beitrag für die Allgemeinheit zu leisten oder sich sozial zu engagieren, denn das tun sehr viele Menschen in Form von Bundesfreiwilligendiensten, einem freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr. Den Notstand in der Pflege und den sozialen Bereichen, sollen nun die Jungen als billige Arbeitskräfte ausgleichen. Aber die Probleme verschwinden nicht, wenn ungelernte Arbeitskräfte eingesetzt werden.
Soziales Engagement lehne ich ja gar nicht ab. Im Gegenteil. Ich, die selbst nach dem Schulabschluss ein Jahr ausgesetzt hat, um in verschiedenen Jobs zu arbeiten und zu reisen, kann die Idee nicht schlechtreden. Denn das war für mich die wichtigste Zeit. Die Zeit, in der ich mich selbst und viele andere Menschen kennengelernt habe. Diese Zeit war wertvoll. Sie war notwendig für mich. Den sozialen Einsatz finde ich also wichtig, aber eben nicht als Pflicht.
Trotzdem ist es schade, dass das Gefühl entsteht, der Einsatz für die Gesellschaft und das soziale Miteinander müsse verpflichtet werden. Viel wichtiger ist doch, dass die Menschen Freude an ihrer Arbeit haben und diese gerne und aus freien Stücken tun. Für den Weg dorthin ist die Soziale Pflichtzeit die falsche Richtung und somit vergeudete Zeit.