6. April 2023

losgedacht: Mieke meint zu U18-Wahlen

Bei „losgedacht“ kommen Einzelne aus den Mitgliedsverbänden, aus den Vorständen, aus der Geschäftsstelle usw. zu Wort und teilen ihre Sicht der Dinge mit. Im Zentrum steht ein selbst gewähltes Thema – egal ob aktuelles Ereignis, Projekt oder (politische) Entwicklung – hier wird einfach mal losgedacht und eine persönliche Meinung sichtbar gemacht.

Mieke macht momentan ein dreimonatiges Praktikum bei uns. Sie hat sich in Bezug auf die anstehenden Bürgerschaftswahlen Gedanken zum Wahlrecht für Kinder und Jugendliche gemacht und sich gefragt, warum es eigentlich immer noch kein U18-Wahlrecht gibt.


Am 14. Mai 2023 finden wieder die Wahlen der Bremischen Bürgerschaft und der Kommunalparlamente in Bremen und Bremerhaven statt. Das Besondere an den Bremer Landtagswahlen ist, dass schon ab 16 Jahrengewählt werden darf. Damit unterscheidet sich Bremen von den meisten Bundesländern, in denen maximal auf Kommunalebene, aber nicht auf Landesebene ab 16 Jahren gewählt werden darf. Auch bei den Bundestagswahlen ist das Wahlalter mit der Volljährigkeit gleichgesetzt, was schon seit vielen Jahren in der Diskussion steht. Der Bremer Jugendring organisiert dieses Jahr gemeinsam mit der Initiative „U18 Wahl“ symbolische Wahlen für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren. Das heißt, dass vom 02.05 bis zum 05.05.23 Wahllokale für (noch) nicht wahlberechtigte Menschen geöffnet werden und diese wie bei einer ganz ‚normalen‘ Landtagswahl wählen dürfen. Kinder und Jugendliche werden dabei durch kreative Projekte und Veranstaltungen, wie z.B. durch das Diskutieren mit Politiker*innen und das Besprechen der Ergebnisse aktiv in den Wahlprozess mit eingebunden. Ziele sind das Kennenlernen von demokratischen Prozessen, das Wecken von Interesse an Politik und zivilgesellschaftlichem Engagement und das Stärken des politischen Meinungsbildes. Die Einbindung von Kindern und Jugendlichen in politische Prozesse soll positiven Einfluss auf die zukünftige Wahlbeteiligung haben und ein langfristiges Mittel gegen Politikverdrossenheit sein. Außerdem werden Parteien und Kandidat*innen so angeregt, sich mit Themen der Jugendlichen zu befassen und Stellung zu beziehen. Die Wirkungsweise der Initiative geht also in beide Richtungen.  

Im Zuge der U16-Wahlen habe ich mir Gedanken um eine bundesweite Absenkung des Wahlalters gemacht und überlegt, warum bestimmte Parteien eigentlich immer noch dagegen sind. 2021 gab es ein Rekordhoch der Wahlbeteiligung der Kinder und Jugendlichen bei der U18-Bundestagswahl: rund 262.000 unter 18-Jährige haben ihre Stimme abgegeben. Gleichzeitig hält sich die Wahlbeteiligung auf Bundesebene in Grenzen und die Altersverteilung der Wahlberechtigten verschiebt sich auf Grund des demografischen Wandels immer mehr zum Nachteil der Jüngeren. Die Mehrheit der Wahlberechtigten ist über 50 Jahre, was natürlich einen erheblichen Einfluss auf politische Ergebnisse hat. Mehrheitsorientierte Politik kann also durch die ungleiche Kräfteverteilung von Alt und Jung gar nicht zu Gunsten der jungen Menschen gemacht werden, wenn diese nicht die Mehrheit stellen. Trotzdem haben die jüngeren Menschen länger mit den Konsequenzen der politischen Entscheidungen zu tun, als die Menschen, die diese größtenteils beeinflussen. Es gibt noch mehr Argumente für eine Herabsetzung des Wahlalters auf mindestens 16 Jahre auf Bundesebene und 14 Jahre auf Landes- und Kommunalebene. Viele junge Menschen haben das Gefühl, nicht von der Politik wahrgenommen zu werden. Ihre Anliegen werden nicht gehört und schaffen es nicht in die Parteiprogramme. Parteien müssen mehr Druck bekommen, sich mit kinder- und jugendpolitischen Themen und Forderungen auseinanderzusetzen und sich für eine gerechte Zukunft einzusetzen. Viele junge Menschen sind schon politisch aktiv, ob parteipolitisch oder in anderen Organisationen und Vereinen. Dass diese trotzdem erst ab 18 wählen dürfen, macht wenig Sinn. Politik für junge Menschen funktioniert nur, wenn das Mitspracherecht auf beiden Ebenen funktioniert. Zudem können U-18 Wahlen ein sinnvolles Mittel gegen Politikverdrossenheit sein. Denn wenn junge Menschen Einfluss auf die Wahlergebnisse haben, werden ihre Themen eher berücksichtigt, das Gefühl des fehlenden Interesses an jungen Themen geht zurück und die Motivation an aktiver Partizipation steigt.

Aber warum stellen sich Parteien wie die CDU gegen die Senkung des Wahlalters? Sie argumentieren mit der Volljährigkeit und der fehlenden Geschäftsfähigkeit der unter 18-Jährigen. Dabei werden Kindern und Jugendlichen doch schon viele Rechte zugesprochen, die nicht an die Volljährigkeit gekoppelt sind. Dass 17-Jährige weniger unfähig sind politische Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu tragen als 18-Jährige und nur auf Grund einer Zahl von demokratischen Prozessen ausgeschlossen werden, leuchtet mir nicht ein.

Wichtig bei einer Herabsetzung des Wahlalters wäre, dass die Wahlen so sozialgerecht wie möglich sind. Das heißt konkret, dass Wahlen ein barrierearmes und niedrigschwelliges Angebot werden. Das Prinzip von Wahlen und die Parteiprogramme müssen verständlich für Kinder und Jugendliche gemacht werden, die U18-Wahlen müssen Teil des Lehrplans werden und für alle Menschen erreichbar sein. Mit 16 gehen viele Menschen noch zur Schule und der Politikunterricht sollte dann genutzt werden, um über die Wahlen zu informieren. Denn nur durch politische Teilhabe von jungen Menschen kann auch wirkliche Politik für junge Menschen gemacht werden und zivilgesellschaftliches Engagement langfristig gefördert und damit die Demokratie gestärkt werden.


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