Marie meint zum Erwachsenwerden in der Pandemie

„losgedacht“ ist eine Notizen-Rubrik aus unserem monatlichen Newsletter! Hier kommen Einzelne aus den Mitgliedsverbänden, aus den Vorständen, aus den Geschäftsstellen usw. zu Wort und teilen ihre Sicht der Dinge mit. Im Zentrum steht ein selbst gewähltes Thema – egal ob aktuelles Ereignis, Projekt oder (politische) Entwicklung – hier wird einfach mal losgedacht und eine persönliche Meinung sichtbar gemacht. Marie war im Januar 2022 Schülerpraktikantin im Bremer Jugendring und teilte mit uns ihre Eindrücke zu den vergangenen Pandemiejahren. Zwischen Schulstress und Sorge um die psychische Gesundheit ihrer Freund*innen beschäftigte sie auch die Spaltung unserer Gesellschaft. Darüber schwebten Fragen wie „Was hat die Pandemie mit mir gemacht?“ und „Wer wäre ich ohne sie geworden?“. Zum Erwachsenwerden in der Pandemie hat Marie bei „losgedacht“ ein kleines Gedicht samt Einleitung verfasst.
Das altbekannte Leben hat sich in den letzten zwei Jahren drastischer verändert, als ich es mir je hätte vorstellen können. Vor allem als Schülerin entdecke ich tagtäglich neue, kleine oder große Veränderung in meiner eigenen Persönlichkeit und der meiner Schulkameraden/Schulkameradinnen. Die Welt dreht sich immer weiter, aber unser Blick auf diese und das Leben hat sich grundlegend verändert. Was einst unwichtig war, ist nun das Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Gespräche, die es zuvor nur in fiktionalen Welten gab, sind nun Realität, sodass ich mich manchmal wundere, wie das alles wirklich die Gegenwart sein kann.
Eine Spaltung der Gesellschaft zeichnet sich ab, die eigene Umgebung erscheint verändert, doch die (Schul-)Systeme bleiben gleich und mitten in dem Chaos gibt es kurze Momente, in denen ich mich frage, wer ich vor der Pandemie war und wer ich jetzt eigentlich bin.
Gesichtslose Stimmen/Abgrund der Stimmen
von Marie Berulava
Wie ein Geist hast du dich leise angeschlichen.
Hast dich versteckt hinter Mensch und Tier, bis dich der Ehrgeiz überfiel,
derselbe den einst ich dich lehrte!
Scheinst nicht zu existieren, doch bist wahrhaftiger als alles andere.
Nun liegt dein Gewicht seit zwei Jahren auf den Körpern dieser Welt,
zwängst sie in eine ungewohnte Form,
dass Geist, Verstand, Seel‘ und Körper drunter leiden,
dass der Kopf die Kontrolle zu verlieren scheint und die Tat und Kraft der Hände an Bedeutung verlieren.
Bist vor dem bloßen Auge unsichtbar, doch hältst Macht über unsere Welt.
Auf deinem zerstörerischen Weg hinterlässt du Wut, und Trauer, und Schmerz, und Angst, und Verzweiflung, und Schwermut und Tod.
Als Einheit gilt es zu wandeln und einem jeden zu helfen, der kein Trug und kein Wort erkennt, der mit geschlossenen Augen zu sehen gedenkt und dem sich, die Kraft aus dem Körper gedrängt, die Türen zu Fremden entgegenstrecken.
Halten fest an Gewohnheit und Alt, doch Zukunft will nicht verbleiben, in den Armen der Alten, drängt nach Fortschritt und Verstand.
Die Jungen fallen, doch wer hält sie fest?
Wer denn, wenn die Augen sich drehen in ein Versteck?
Das Gesicht ziehst du uns ab, verdrehst die Kabel dahinter und setzt es uns verkehrt herum wieder auf, bis unsere Nächsten zu namenlosen Fremden mutieren, wir uns entgegenblicken und stumpf fragen.
Wissen nicht. Erinnern nicht.
Sollen fragen und sagen, doch sagen und fragen erlaubt sich nur durch Taten – welche die spalten, andere die tragen.
Wen meine ich?