10. November 2021
Gedenken an jüdisches Leben in der Rembertistraße mit SOD

Am 9. November ist in der Vergangenheit in Deutschland viel passiert. Der 9. November ist quasi der Joker beim Beantworten von Fragen zur deutschen Geschichte. Die Märzrevolution 1848, die Novemberrevolution 1918, der Hitler-Ludendorff-Putsch 1923, die Reichspogromnacht 1938 und der Fall der Berliner Mauer 1989: Das alles geschah am 9. November.
Wir von Spot on Democracy waren dieses Jahr am 9. November mit Anke vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. verabredet, um mehr über die Ereignisse der Reichspogromnacht am 9. November 1938 und die Geschichte von Juden und Jüdinnen in Bremen zu lernen.
Die Reichspogromnacht war am 9. November 1938, nicht nur in Bremen sondern überall in Deutschland. In dieser Nacht wurden Wohnungen und Geschäfte von Juden und Jüdinnen zerstört, Synagogen angezündet und Menschen gejagt, verletzt und ermordet. Das ist auch schon vor dieser Nacht passiert, aber am 9. November 1938 ist es gleichzeitig in ganz Deutschland geschehen. Die Reichspogromnacht wurde früher oft „Reichskristallnacht“ genannt, weil so viele Scherben von kaputten Fenstern auf den Straßen lagen. Dieser Begriff klingt aber viel zu harmlos für die Verbrechen, die in dieser Nacht passiert sind.
Jedes Jahr am 9. November gibt es an vielen Orten in Deutschland Veranstaltungen, die an die Opfer der Verbrechen dieser Nacht erinnern. Denn es darf nicht vergessen werden, was passiert ist. Darum haben wir uns auch am 9. November getroffen. Gleichzeitig ist es wichtig, sich nicht nur an Gedenktagen, sondern das ganze Jahr über mit der deutschen Vergangenheit zu beschäftigen.
Gemeinsam trafen wir uns in der Rembertistraße 28. Dort ist das Büro des Volksbundes. In der Rembertistraße 30, also direkt nebenan, hat bis 1938 die jüdische Familie Josephs gelebt. Das Ehepaar Josephs, Röse und Carl Max, hatte zwei Söhne, Fritz-Günther und Hans-Jürgen. Carl Max führte gemeinsam mit seiner Frau Röse ein Warengeschäft, welches sich ab Mitte der 1920er Jahre zur Camajo-Kaffeegroßrösterei sowie einem sehr erfolgreichen Kaffeeversandgeschäft mit einer großen Auswahl an Kaffee und Schokolade entwickelte. Das Geschäft wurde 1938 „arisiert„, das heißt, es wurde der Familie Josephs weggenommen. Die Nationalsozialisten haben jüdischen Menschen alle Geschäfte, Unternehmen, Häuser und Besitztümer weggenommen und sie an „arische“ (also nicht-jüdische) Menschen verteilt. Juden und Jüdinnen hatten also keine eigenen Wohnungen mehr, kein Geld und keine Existenzgrundlage. Das war einer von vielen Schritten, der zur grausamen Vernichtung jüdischer Menschen dazugehört hat.
Das ist auch mit Familie Josephs aus der Rembertistraße passiert. Die Söhne sind 1933 und 1935 in die Niederlande ausgewandert. Fritz-Günther wurde am 31. März 1943 in das Sammellager Westerbork überstellt. Von dort wurde er in das Konzentrationslager Sobibor deportiert und am 7. Mai 1943 ermordet. Sein Bruder Hans-Jürgen konnte in die USA auswandern. Die Eltern blieben in Bremen. Auch sie haben ihr Zuhause verloren. Die Nachbarn der Familie haben, nachdem die Familie gezwungen war, ihre Wohnung zu verlassen, die Möbel und Wertgegenstände gestohlen und versteigert. Röse und Carl Max wurden in ein „Judenhaus“ gebracht, dort mussten sie mit vielen anderen jüdischen Menschen zusammen auf kleinstem Raum leben. Carl Max ist dort sehr krank geworden und am 11. Dezenber 1939 gestorben.
Röse, jetzt allein und im Unwissen über den Zustand ihrer Söhne, wurde am 18. November 1941 in das Minsker Ghetto in Belarus deportiert. Dort wurde auch sie ermordet.
Vor dem Haus, in dem die Familie damals lebte, liegen heute zwei Stolpersteine aus Messing, die an die Familie erinnern. Diese Steine haben wir im Gedenken an Röse, Carl-Max und Fritz-Günther gereinigt, damit man wieder lesen kann, was darauf steht. Jetzt kann man wieder gut erkennen, wo die Familie Josephs gewohnt hat: In der Rembertistraße 30.
